Nach Love Bombing, future faking und gas lighting nun also „stonewalling“, was hat es damit auf sich? Der Begriff wird im Englischen schon sehr lange benutzt, etwa zur Beschreibung sturer, hartnäckiger, aber auch ausdauernder Personen. Im therapeutischen Rahmen und insbesondere in der Paartherapie spricht man in diesem Zusammenhang vom sog. „Mauern“, das nach vorangegangenen Phasen wie Kritik, Abwehr und Verachtung als letzte Stufe der Eskalation zum Scheitern der Beziehung führt.
Die Verweigerung von Kommunikation erzeugt eine Isolation der Partner und damit das Gegenteil von Bindung oder aufeinander bezogen sein, was „Beziehung“ letztlich bedeutet und ausmacht. Derartiges rückzügliches und ausweichendes Verhalten ist nicht zwangsläufig auf partnerschaftliche Beziehungen beschränkt, sondern kann in allen sozialen Kontexten auftauchen, so in der Familie, unter Freunden und auch in beruflichen Kontexten. Das Problematische an Stonewalling ist, dass es jegliche Bearbeitung von Themen, Problemen oder Konflikten verhindert und damit auch die Erarbeitung von Lösungen und Entwicklung. Die andere Person „schmiert“ sozusagen ab, wie an einer Teflonwand. Sie hat keinen Einfluss mehr, kann weder ihre Meinung einbringen noch Bedürfnisse äußern.
Wie kannst Du Stonewalling erkennen?
Das „Mauern“ kann sich in verschiedenen Ausprägungen zeigen. Manchmal subtil, dann spricht man zwar miteinander, aber die mauernde Person nimmt gar keinen Bezug auf Äußerungen, die ihr entgegengebracht werden. Vielmehr werden diese schlichtweg ignoriert. Das muss vom Verursacher gar nicht bewusst geplant worden sein, sondern läuft häufig automatisch als Konsequenz eines inneren Rückzugs ab. Auffälliger ist natürlich die offensichtliche Ablehnung von Kommunikation bzw. das Verlassen des Raums mitten im Gespräch. Manchmal kommt es sogar zum Kontaktabbruch, dem sog. Ghosting.
Hilft Diskutieren immer weiter?
Die Unterbrechung einer problematischen Situation kann manchmal durchaus hilfreich sein kann, nämlich immer dann, wenn das Gespräch nicht mehr zu einer Auflösung der Konflikte führt, sondern zunehmend eskaliert. Dann schreien sich die Beteiligten an oder sie beleidigen sich unterhalb der Gürtellinie und sagen Dinge, die später nicht wieder gutzumachen sind. Stonewalling hingegen wird erkennbar, wenn die mauernde Person auch später keinerlei Gesprächsangebote zur Bearbeitung eines noch offenen Themas macht. Oder sie lenkt ab, tut beschäftigt und ist gedanklich abwesend, wenn der andere nochmal auf die unbearbeiteten Inhalte zurückkommt.
Warum „mauern“ Menschen in der Kommunikation?
Es gibt verschiedene Gründe für Stonewalling. Häufig ist die agierende bzw. sich zurückziehende Person überfordert. In Partnerschaften etwa hat sie sich möglicherweise schon innerlich verabschiedet, weiß aber nicht, wie sie den letzten faktischen Schritt zur Trennung vollziehen soll. Aber auch in weniger endgültigen Situationen fällt es vielen Menschen häufig schwer, in einen nicht harmonischen Austausch zu gehen und ihre Bedürfnisse durchzusetzen bzw. Probleme anzusprechen. Ob bewusst oder unbewusst – letztlich handelt es sich um eine Flucht nach innen, eine Form von Selbstschutz auf eine empfundene Überforderung. Manchmal geht es auch darum, die andere Person zu schützen, weil man weiß, dass man nicht angemessen reagieren könnte, z.B., wenn man sehr impulsiv handelt oder sich große Sorgen um eine nahestehende Person macht.
Die Lösung ist immer Selbstöffnung
Egal, ob die mauernde Person ihre Beziehung beenden möchte, ob sie sich von ihrem Gesprächspartner nicht wertgeschätzt fühlt oder ob sie ihre Wünsche nicht artikulieren kann – der Gesprächsabbruch ist immer die denkbar ungünstigste Lösung. Denn sie führt für alle Beteiligten nicht zum Ziel und zu Entwicklung. Im Gegenteil häufen sich ohne Klärung meist weitere Missverständnisse, wie sich nicht gesehen und verstanden zu fühlen, bis hin dazu, dass der Austausch versiegt. Sich öffnen bedeutet, sich zu zeigen. Nur wer sich zeigt, kann mit dem Gegenüber auf Augenhöhe kommunizieren und sich von diesem angenommen fühlen. Sich zeigen bedeutet aber auch, sich verletzlich zu machen, da dann Unsicherheiten oder Selbstzweifel für andere Personen sichtbar werden können. Letztlich ist niemand perfekt. Dies für sich und andere zu akzeptieren erlaubt, Raum zu schaffen für Vertrauen, Wertschätzung und Mitgefühl. Anders ist Beziehung nicht möglich.