„Und jährlich grüßt das Murmeltier“ … Berichte über Herbst- und Winterblues erscheinen in den Medien jedes Jahr genauso zuverlässig wie solche über Weihnachtsstress. Und gegen beides kann man etwas tun. Tatsächlich leiden ca. 800.000 Menschen in Deutschland im Herbst und Winter unter einer sog. saisonal abhängigen Depression (SAD).
Was ist SAD und was unterscheidet diese von Depressionen im Allgemeinen?
Während Depressionen im Allgemeinen nicht an Jahreszeiten gebunden sind, ist es für die saisonal abhängige Depression charakteristisch, dass sich diese im Herbst/Winter ausbildet und die Symptome spätestens im Frühjahr wieder abklingen. Im Sommer ist die Symptomatik nicht vorhanden. Man spricht daher von einer „rezidivierenden (also sich wiederholenden) depressiven Störung“, welche zudem nicht etwa durch belastende Ereignisse wie Trennung oder Arbeitsplatzverlust ausgelöst wird.
Welche Symptome hat man bei SAD?
Auch die Symptome sind etwas verlagert. Neben den klassischen depressiven Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und Interessenverlust neigen von SAD Betroffene häufig zu Heißhunger und vermehrter Aufnahme von Kohlenhydraten (insbesondere Süßigkeiten), welche wiederum mit Gewichtszunahme verbunden ist. Auch wenn SAD meist als leichte bis mittelschwere Depression erlebt wird und suizidale Gedanken seltener auftreten als bei nicht-saisonalen Depressionen, empfinden sich Betroffene oftmals als nur eingeschränkt fähig, ihren Alltag zu bewältigen.
Wodurch entsteht SAD?
Mangelndes Licht ist als Ursache für die Entwicklung depressiver Symptome in der dunklen Jahreszeit wissenschaftlich belegt. Das an den langen Tagen im Sommer vorhandene Licht dagegen ist aktivitätsanregend, es führt zur Stimulation des Glückshormons Serotonin und zum Abbau des Schlafhormons Melatonin. Außerdem wird Vitamin D als mögliche Ursache diskutiert, da dieses ohne genügend Sonnenlicht möglicherweise nicht genügend vom Körper synthetisiert werden kann.
Was man gegen SAD tun kann?
Das Sonnenlicht ist unser Zeit- und Taktgeber. Spätestens, wenn im Herbst die Uhr umgestellt wird, erleben viele, wie ihre innere Uhr aus dem Gleichgewicht gerät und sie in eine seelische Dysbalance geraten. Folgendes Handwerkszeug kann daher helfen, der saisonabhängigen Depression entgegenwirken:
- Wenn Sie diese Dysbalance spüren, werden Sie (auch wenn es noch so schwerfällt) aktiv, um einem schweren Verlauf vorzubeugen. Machen Sie sich klar: Letztlich können Sie sich nur selbst aus dieser Verfassung herausholen.
- Planen Sie feste Zeiten ein (etwa die Mittagspause), in der Sie einen Spaziergang machen und sich mit Licht und frischer Luft versorgen. Wenn Sie im Home Office arbeiten, planen Sie diese Aktivitäten fest in ihren Alltag ein. Das ist kein Luxus, sondern dient Ihrer Gesunderhaltung.
- Üben Sie (soweit das Wetter es zulässt) auch in der dunklen Jahreszeit sportliche Aktivitäten wie Joggen, Nordic Walking, Fahrrad fahren o.ä. im Freien aus. Sport wirkt aufgrund verschiedener Faktoren Depressionen entgegen. Es fördert das Wachstum von Nervenzellen, die bei depressiven Menschen in geringer Konzentration vorliegen („brain-derived neurotrophic factor“). Zudem wird durch Sport der Botenstoff Serotonin ausgeschüttet, der positiv auf Wohlbefinden und Ausgeglichenheit wirkt.
- Mit Depressionen in Zusammenhang entstehende Ängste werden ebenfalls durch Bewegung schwächer, da man lernt, dass der durch Sport erhöhte Herzschlag nicht zwangsläufig zu einer Panikattacke führt, sondern ein gesunder körperlicher Vorgang ist.
- Setzen Sie sich dazu Ziele, bspw. in Bezug auf zu erreichende Kilometer oder Schritte.
- Suchen Sie sich Gleichgesinnte für diese Aktivitäten, um sich gegenseitig zu motivieren bevor der „innere Schweinehund“ wieder das Regiment übernimmt.
- Probieren Sie achtsamkeitsbasierte Übungen wie Meditationen oder Body Scans aus, hier gibt es mittlerweile ein großes Angebot an Apps, die Abo-Kosten werden z.T. von den Krankenkassen übernommen.
- Versuchen Sie, bei den auszuführenden Aktivitäten wie z.B. beim Essen oder auch beim Spazierengehen im Moment zu bleiben, sich zu spüren und ihre Sinne zu aktivieren. So driften Sie weniger in negative Gedankenkreise ab.
- Führen Sie ein sog. Dankbarkeitstagebuch: Schreiben Sie auf, was „heute“ gut war, um zu reflektieren, dass es zwischen schwarz und weiß ganz viele Zwischentöne gibt. In diesem Zusammenhang können auch sog. Moodtracker wie die App Dailyo hilfreich sein, da Sie hierbei durch die Verknüpfung von Stimmung und Aktivitäten feststellen können, wodurch Sie Ihre Stimmung positiv beeinflussen können (anstatt sich als ohnmächtig und ausgeliefert zu erleben).
Falls Sie diese Maßnahmen alleine nicht umsetzen können:
- Suchen Sie Ihren Hausarzt oder einen Facharzt auf, um über die Möglichkeiten einer Lichttherapie zu sprechen, bei der die Bestrahlung mit Sonnenlicht in kurzen Sitzungen (auch zuhause) mithilfe einer sog. Tageslichtlampe simuliert wird. Die Wirksamkeit der Lichttherapie ist wissenschaftlich belegt.
- Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob die Einnahme von Anti-Depressiva oder Vitamin D sinnvoll sein kann
- Suchen Sie sich psychotherapeutische Unterstützung, etwa in Form einer Kurzzeitpsychotherapie.