Home Office – Gift für psychisch labile Menschen

Interessanterweise ging es Menschen mit Depressionen im ersten Lockdown im Home Office gar nicht so schlecht. Denn mit dem häufig auftretenden Gefühl emotionaler Isolation waren sie nun nicht mehr alleine. Ausgehen und unter Menschen sein dürfte plötzlich niemand mehr. Über den gesamten Zeitraum der Pandemie hat sich das leider ins Gegenteil verkehrt: Depression und Home Office sind eine unheilvolle Allianz. In meiner Praxis begleite ich Klienten, denen es aufgrund von depressiver Verstimmtheit schwerfällt, sich selbst gut zu strukturieren und eine Alltagsroutine zu geben. Im Home Office steigt der Leidensdruck immens.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die psychische Belastung durch Home Office

Tatsächlich wurde dies nun auch wissenschaftlich belegt. Die Ergebnisse des „Deutschland-Barometer Depression 2021“ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zeigen dies eindrucksvoll. Von den 1.123 befragten Personen, die während der Pandemie im Home Office arbeiteten empfand ein Drittel (33 Prozent) negative Wirkungen auf die psychische Befindlichkeit, ein Zehntel sogar sehr starke Belastungen. Ohne die Struktur von außen (aufstehen, sich fertig machen, Arbeitsweg, Kaffee- und Mittagspause genauso wie Tür- und Angel-Gespräche mit Kollegen usw.) lösen sich die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeitsalltag immer weiter auf, zudem gehen Abwechslung und Inspiration verloren. Es besteht einerseits die Gefahr, völlig antriebslos zu werden und gar nicht mehr in eine Arbeitsverfassung zu kommen. Dann berichten die Klienten, dass sie keine Notwendigkeit sehen, das Bett zu verlassen und sich fertig zu machen. Andererseits droht eine hohe Verausgabung bis zur Selbstausbeutung, da es keinen physisch definierten Rahmen für Freizeit und Feierabend mehr gibt. Gerade bei Menschen, die sich schlecht abgrenzen können besteht dann die Gefahr, sich in der Arbeit im Home Office völlig zu verlieren.

Wie überlisten Sie die Home Office Falle?

Strukturierung des Alltags und Abgrenzung sind das A und O. Wenn Sie sich als antriebslos erleben kann es hilfreich sein, einen Tagesplan zu erstellen. Das ist quasi ein Rahmen für die Büroarbeitszeit genauso wie für die Freizeit. Der Tagesplan muss nicht nach Minuten getaktet sein und sie müssen sich auch nicht sklavisch an ihn halten. Wichtig ist, dass es an jedem Tag ein bis zwei Aktivitäten gibt, für die Sie das Haus verlassen (z.B. einkaufen, spazieren gehen, Freunde treffen usw.) oder eine Entspannungseinheit in der Wohnung verschaffen (z.B. Sport mit Youtube Video, Meditation, Yoga, Essen mit der Familie, eine heiße Badewanne, lesen usw.). Das motiviert eher zur Arbeit als wenn Sie ansonsten gar nicht zu tun haben. Auf diese Weise setzen sie sich im positiven Sinne selbst ein bisschen unter Zeitdruck, nach dem Motto „nach der Arbeit kommt das Vergnügen …“. Neigen Sie eher zur Selbstüberlastung ist es ebenfalls wichtig, sich zu strukturieren, aber eher im Sinne der Abgrenzung und dem sich selbst erlauben von Entspannungseinheiten, die fester Teil ihres Tagesplans werden sollten. Denn wer keine Pausen macht ist auf Dauer nicht mehr leistungsfähig. Im Home Office können Sie auch für die anderen Familienmitglieder bestimmte Regeln einführen, bspw. wenn die „Büro-Tür“ geschlossen ist bedeutet das, dass Sie sich im Arbeitsmodus befinden und nicht gestört werden möchten. Andererseits können Sie Uhrzeiten verabreden, in denen Sie z.B. für Ihre Kinder ansprechbar sind. Klar definierte Pausen sind – egal ob sie zu Antriebslosigkeit oder zu hoher Verausgabung neigen – ebenfalls notwendig, auch damit Sie den Unterschied zwischen Arbeits- und Freizeitmodus deutlich erleben können.

Kontakt:

Dr. Bettina Fromm
Diplom-Psychologin
Heilpraktikerin für Psychotherapie

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