Die Diagnose als Schock
Die Diagnose Krebs ist für die meisten Menschen zunächst gleichbedeutend mit dem Ende jeglicher Selbstverständlichkeit und Planbarkeit ihres Lebens. Aus dieser von Angst und Bedrohung begleiteten Erfahrung kann auch eine Weiterentwicklung und Entdeckung des eigenen Selbst werden.
Oftmals fühlt man sich gar nicht krank, sondern die Krankheit Krebs wird im Rahmen einer Routineuntersuchung diagnostiziert. Mit der Diagnose wird die gewohnte Kontinuität radikal durchbrochen. Krebs lässt nicht zu, dass man einfach weiterlebt wie bisher. Jegliche Planung und der Alltag in seinen Abläufen wie die Bedeutung der Dinge, die man tut, werden infrage gestellt. Zukunft wird (zunächst) unsicher und unberechenbar. Vieles, das vorher wichtig war, erscheint belanglos.
Alltäglichkeit ist oft nicht mehr möglich
Zudem wird es schwer, Alltäglichkeit beizubehalten. In allen Gesprächen rücken die Krankheit und ihre Bedrohung in den Fokus. Oftmals werden an Krebs erkrankte Menschen auf ihr Krankgewordensein reduziert. Oder man weiß gar nicht, wie man ihnen begegnen soll. An dieser Stelle besteht die Gefahr der Isolation. Dennoch geht das Leben weiter und es ist wichtig für die Betroffenen, sich trotz der Diagnose als normal erfahren zu können. Überhaupt ist die Befindlichkeit häufig gar nicht beeinträchtigt, erst durch die Therapie entstehen körperliche Beeinträchtigungen.
Eine Krebserkrankung hat Einfluss auf die eigene Identität
Die Erkrankung diktiert den Betroffenen einen neuen Rhythmus, weitere Untersuchungen, Diagnosen und Therapien führen nicht selten durch Hochs und Tiefs, welche typisch sind für eine Krebserkrankung. Alles, was bisher gelebt wurde, wird nun infrage gestellt. Dies betrifft nicht nur die bisher formulierten Lebensziele und Art und Weise, das Leben zu gestalten, sondern auch das „Ich“, die eigene Identität. Wer will man sein? Alles Bisherige gilt es ebenso wie die Zukunft neu zu überdenken und neu zu konzeptionalisieren. Was auch immer werden wird, es ist an der Zeit, ein Resümée des Bisherigen zu ziehen.
Wie kann man Krebs als Entwicklungschance verstehen?
Der Verlust an Sicherheit und oftmals auch an Autonomie birgt nicht nur Negatives, sondern kann als Chance begriffen werden. Was bzw. wer ist mir wirklich wichtig? Worauf kann ich verzichten? Was will ich (noch) erleben? So verstanden ist die Krebserkrankung nichts anderes als ein Katalysator für Veränderung, im Innen wie im Außen. Zugegeben, niemand hätte sie gebraucht. Aber häufig wird sie zur Triebkraft für Veränderung, weil man ihr kaum ausweichen kann. Damit ist Krebs eine Entwicklungsaufgabe, sie leitet einen Übergang ein und fordert Veränderung. Abhängig vom Kontext, von vorhandener Resilienz (z.B. Optimismus und Netzwerk…) und Ressourcen (Freunde und Familie) bedeutet sie einerseits den Abschied vom Gewohnten, aber andererseits den Beginn einer Entwicklung. Der Blick auf das Selbst verändert sich. Nicht alles kann man selbst aktiv gestalten, aber das Beeinflussbare erhält einen neuen Wert. Hierin liegt die Chance, sein Leben wertvoller zu gestalten und bewusster zu leben.